Hauptinhalt

Kulturgeschichte

Der über Jahrhunderte andauernde Erfolg des Bergbaus hat den Wohlstand Sachsens begründet. In der dazugehörigen Wissenschaft waren Männer tätig, die noch heute zu den Großen ihres Faches zählen:

  • Ulrich Ruelein von Calw: Autor der ersten Bergbauschrift von 1501, Humanist, Arzt, Stadtplaner und Bürgermeister von Freiberg
  • Georgius Agricola: Humanist, Arzt, Schulgründer, Historiker und Bürgermeister von Chemnitz, Verfasser des ersten Grundlagenwerkes über den Bergbau »De re metallica«
  • Adam Ries: »Rechenmeister«, Bergbeamter und Finanzkontrolleur in Annaberg, Verfasser der ersten Schriften über betriebswirtschaftliches Rechnen und Messen

Otto der Reiche (1156 – 1190 Markgraf von Meißen) hatte mit seiner Wirtschaftspolitik des freien Unternehmertums der Bergleute die Grundlagen jenes Wohlstands geschaffen. Er begünstigte damit den Aufbau zahlreicher Kleinstädte, charakteristisch für das Sächsische bis heute. Sie waren Träger der Gymnasien, der Wissenschaften und Künste im ganzen Land. Auf diesem Nährboden entwickelte sich eine vielgestaltige Volks- und Alltagskultur. So gibt es noch heute in Sachsen über 1.000 Kantoreien und Kurrenden (gemeindliche Jugendchöre) der evangelischen Landeskirche. Diese Volkskultur wurde geformt von den verschiedenen Landstrichen Sachsens mit ihren jeweiligen Besonderheiten. Vogtländer und Lausitzer, Sorben, Erzgebirgler und Niederschlesier bewahrten über Jahrhunderte ihre eigenständige Kultur und ihre Dialekte.

Der Fürstenzug am »Langen Gang« des Stallhofes des Dresdner Residenzschlosses ist weltbekannt: Er ist ein Abbild der politischen Geschichte in Sachsen und des Einschwörens auf die Gemeinsamkeit als Sachsen.

Es war vor allem das Fürsten- und spätere Königshaus, das die Pflege des sächsischen Selbstverständnisses zu seiner Sache machte und sich dazu mit Adel und Bürgertum verband. Die Wettiner Herrscher haben es über Jahrhunderte verstanden, Bürgersinn sich entfalten zu lassen. Diese für alle Seiten vorteilhafte Allianz gehörte immer als eine Art Grundsatz zur Innenpolitik des Herrscherhauses. So hat sich in diesem schon früher dicht besiedelten Land eine Kultur der Neugier, des Fortschritts und der stetigen Erneuerung des Landes entwickelt – eine Atmosphäre, die noch heute den Freistaat Sachsen in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur bestimmt.

 

Herzog Moritz (1541–1553) übernahm 1541 die Herrschaft der albertinischen Linie. Wenngleich seine Herrschaft nur von kurzer Dauer war, gelang es ihm, Sachsens politische und kulturelle Gestalt für Jahrhunderte zu formen.

Er gründete die drei berühmten sächsischen Fürstenschulen in Meißen, Pforta und Grimma zur Erziehung einer evangelischen, staatstragenden Elite. Neben Söhnen des Adels lernten hier Bürgerliche, die von den Städten ausgesucht und entsendet wurden. Auch begabte Kinder Mittelloser konnten mit einem kurfürstlichen Stipendium ausgestattet werden.

Die Kultur der Herrschaft von Herzog Moritz repräsentierte nicht nur Macht, sondern auch Reichtum, festliche Heiterkeit und Freude an der Kunst. Dies war ein Ton, der in der sächsischen Residenz bis ins 19. Jahrhundert hinein widerklang. 1548 gründete er die Dresdner Hofkapelle, ein Orchester, das seit 450 Jahren den Geist der Stadt und des Landes mitgeformt hat. Die heutige Sächsische Staatskapelle ist das älteste Orchester Europas. Seit dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts zugleich Opernorchester, betreut die Sächsische Staatskapelle heute in der wiedererstandenen Semperoper ein weit gespanntes Repertoire mit jährlich etwa 250 Vorstellungen.

Kurfürst August (1553 - 1586) reagierte auf die europäische Renaissance und ihre revolutionierenden Wechselwirkungen in den Wissenschaften und Künsten, in Philosophie und Technik, Politik und Religion, indem er anfing alles zu sammeln, was für ihn und das Land wichtige Informationen bereithielt.

Er gründete eine Bibliothek, die noch heute unter dem Namen der Sächsischen Landesbibliothek geführt wird und er richtete eine Kunstkammer ein, welche noch heute in den Beständen der Dresdner Museen für Künste und Wissenschaften fortbesteht.

Viele der von ihm begründeten Institutionen sächsischer Kunst und Kultur haben die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges unbeschadet überstanden, obwohl kein anderes deutsches Land in diesem Krieg so gelitten hat wie Kursachsen. Die meisten Städte wurden mehrfach von fremden Truppen belagert, bombardiert und besetzt, ganze Landschaften waren entvölkert und Dresden von den meisten Künstlern verlassen.

Mit der Krönung des sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. zum König von Polen rückten die Albertiner in die Reihe der ranghöchsten Fürstenhäuser Europas auf. Der König, genannt August der Starke, brauchte dringend eine moderne Residenz nebst Hofstaat in Dresden und Warschau, die den Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben einer Großmacht entsprachen.

Dazu bediente er sich des traditionellen Mittels wettinischer Innenpolitik: Er belebte das wirtschaftliche und intellektuelle Potential Kursachsens. Während ihrer Regierungszeit ließen August der Starke und nach ihm sein Sohn, Friedrich August II., beide begabt mit einer großen Sammelleidenschaft und Kennerschaft, eine Kunstsammlung von europäischem Rang zusammentragen.

Für die Sache der Kunst haben beide die Macht des Staatsoberhauptes eingesetzt. Das gebildete Europa erkannte den besonderen Rang jener augusteischen Blüte der Künste. Wissenschaftliche Museen und Kunstsammlungen lockten Liebhaber aus allen Ländern herbei. Die Vielfalt des Geschaffenen war so dicht, dass jede Generation, jede Haltung, jede Persönlichkeit, wenn sie für den Geist des Schönen empfänglich war, angerührt wurde. Die tüchtigsten sächsischen Künstler holten sich die neuesten Kenntnisse auf ihren Gesellenreisen direkt in Italien oder bei weiteren auswärtigen Meistern.

Der Rat der Stadt Dresden beschloss im Jahr 1722 den Neubau der Frauenkirche. Und der katholische Monarch unterstützte die Errichtung eines das Stadtbild beherrschenden Monumentes der lutherischen Bürgerschaft.

August der Starke wollte ein Zeichen königlicher Macht, die Stadt eine Bekundung protestantischen Geistes gegenüber dem katholischen Hof.

Diese Gegensätze vereinigten sich in der Idee eines kuppelgekrönten Zentralbaus - der Gedanke war sowohl katholisch als auch evangelisch und zugleich absolutistisch und bürgerlich.

Die barocke Frauenkirche, 1743 vollendet, krönte über 200 Jahre die Silhouette des alten Dresden. Als ein Monument Stein gewordenen Glaubens und bedeutendster Kuppelbau nördlich der Alpen beeindruckte sie Fachleute und Laien. George Bährs Kuppel überstand sogar den Feuersturm des 13. Februar 1945. Erst am folgenden Tag, als die Pfeiler in der Glut barsten, brach sie in sich zusammen und die Trümmer der Kirche lagen bis Anfang der 90er Jahre als bewegendes Mahnmal im Herzen der Stadt. Am 13. Februar 1990, kurz nach der friedlichen Revolution in der DDR, ging ein Ruf aus Dresden um die Welt: nach einer weltweiten Aktion zum Wiederaufbau der Frauenkirche. Er fand Gehör. 13.000 Unterstützer in 23 Ländern. Unzählige Menschen trugen mit Spenden zum Wiederaufbau bei. Am 30. Oktober 2005 wurde die Frauenkirche unter großer internationaler Anteilnahme geweiht. Ihr Anblick ergreift nicht nur die Sachsen. Die Frauenkirche wird auch in Zukunft Zeugnis ablegen über die Geschichte ihrer Zerstörung. Zugleich bleibt sie ein Zeichen der Hoffnung und Versöhnung.

Leipzig war daneben nicht nur Handelsmetropole des Kurfürstentums, sondern auch ein wissenschaftliches Zentrum, dessen bürgerliche Kultur den Glanz der Residenz ergänzte. Im Klima der Leipziger Universität, gegründet 1409 und damit die zweitälteste in Deutschland, keimte die deutsche Aufklärung und hielt weltweite wissenschaftliche Kontakte.

Johann Sebastian Bach, verwurzelt in einer landesweiten Musikpflege, trug mit seinem Wirken und seiner Ausstrahlung entscheidend zum Aufschwung des deutschen bürgerlichen Musiklebens im 18. Jahrhundert bei. Das Gewandhausorchester als ältestes bürgerliches Konzertorchester in Deutschland gehört heute zu den weltweit hochrangigen Orchestern und pflegt den internationalen kulturellen Austausch. Seit der Reformation einer der wichtigsten Druck- und Verlagsorte in Europa, befruchtete der internationale Handel auch später die weltbekannte Universität und begünstigte den Aufstieg Leipzigs zur Medienstadt. Heute haben hier der Mitteldeutsche Rundfunk, die Mitteldeutsche Medienförderung und die Sächsische Landesmedienanstalt ihren Sitz.

Über Jahrhunderte war Sachsen als selbstständige politische Region in der Mitte Europas ein deutscher Teilstaat, der aufgrund seiner geografischen Lage zum Dreh- und Angelpunkt vieler kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen wurde.

In Rechtswesen, Philosophie, Theologie, Physik, Chemie, Astronomie und besonders in den Montanwissenschaften wurde Hervorragendes geleistet.

Zum wirtschaftlichen Aufschwung Europas trugen sächsische Erfindungen maßgeblich bei. Sachsen bauten die erste deutsche Lokomotive und konstruierten das erste Dampfschiff. Sachsen schufen die ersten mechanischen Tuchwebstühle. August Horch baute hier seine ersten Autos.

Ob in Wirtschaft oder Kunst: Sachsen konnte seine Rolle nur finden in der Offenheit und im Austausch mit anderen europäischen Regionen. Dies brach jäh ab mit der Zeit des Nationalsozialismus, der Intoleranz und Menschenfeindlichkeit. Auch in Dresden, Leipzig und Chemnitz brannten 1933 die Bücher, 1938 die Synagogen und 1945 die Städte. Drei Jahre nach Gründung der DDR wurde Sachsen in die Bezirke Dresden, Leipzig und Chemnitz (Karl-Marx-Stadt) aufgeteilt. Sachsen hatte damit nach über tausendjähriger Geschichte aufgehört zu existieren. Am 3. Oktober 1990, dem Tag der deutschen Einheit, wurde auf der Albrechtsburg in Meißen der Freistaat Sachsen wieder errichtet.

zurück zum Seitenanfang