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Erinnerungskultur

Elfriede Lohse-Wächtler „Selbstporträt mit Handstudie“ Bleistiftzeichnung auf Karton (1932) 

In Sachsen dokumentieren verschiedene Gedenkstätten und Informationszentren die jüngere sächsische Geschichte. An authentischen Orten wird der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und des SED-Regimes gedacht.

Die Kultur und der innere Zusammenhalt unserer Gesellschaft hängen maßgeblich davon ab, welche Lehren der Geschichte die Menschen im Gedächtnis behalten und zum Maßstab ihres Handelns machen. Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, insbesondere dem Menschheitsverbrechen des Holocausts einerseits und den Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der kommunistischen Diktatur andererseits soll in der Gegenwart Orientierung im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte vermitteln. Wenn die grausamen Lehren, die die Menschen im 20. Jahrhundert erfahren mussten, angenommen werden, dann muss das Wissen um unsere Geschichte im Gedächtnis einen dauerhaften Platz finden mit Tagen des Gedenkens, mit Orten des Erinnerns, mit Stiftungen, die sich der Erinnerung als Auftrag stellen.

Die Gedenkstätten in Sachsen leisten an authentischen Orten einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und der kommunistischen Diktatur in der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. Sie erfüllen zu einem erheblichen Teil museale Aufgaben, da sie zu den Orten politischer Verfolgung Zeugnisse sammeln, bewahren, forschen und das Wissen in Ausstellungen vermitteln. Sie erreichen darüber hinaus gerade junge Menschen mit Lesungen, Konzerten, Theater und anderen Kunstprojekten.

Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft wurde am 15. Februar 1994 begründet.

Gedenkstätte Bautzen: In den Haftanstalten Bautzen I und II wurden während der NS-Zeit, der sowjetischen Besatzungszeit und der DDR politische Gegner unter unmenschlichen Haftbedingungen gefangen gehalten. Die verschiedenen Verfolgungsperioden prägen drei Phasen des Gedenkens an einem Ort. Im Gebäude des »Stasi-Knastes« Bautzen II wird an die Opfer der beiden Bautzener Gefängnisse mit Schwerpunktsetzung auf die Opfer der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR erinnert.

Gedenkstätte Münchner Platz Dresden: Auch die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden hat eine solche mehrschichtige Vergangenheit zu gewärtigen. Sie beschäftigt sich mit der politischen Strafjustiz und ihren Opfern im Gebäudekomplex am Münchner Platz während der nationalsozialistischen Diktatur, der sowjetischen Besatzungszeit und der frühen DDR. Bis Ende 1956, als die DDR-Justiz das letzte Todesurteil am Münchner Platz vollstrecken ließ, wurde das 1907 als Königlich-Sächsisches Landgericht eröffnete Gebäude als Gerichtsort, Haftanstalt und Hinrichtungsstätte genutzt. In der NS-Zeit wurden mehr als 1.300 Justizopfer dort hingerichtet, mehrheitlich tschechoslowakische Staatsbürger. Darüber hinaus bezieht die Gedenkstätte in ihre Forschungs- und Bildungsarbeit weitere Stätten des Justizmissbrauchs in der Stadt Dresden ein. Dazu gehörten das Oberlandesgericht Dresden in der Pillnitzer Straße und die mit ihm verbundene Untersuchungshaftanstalt II in der Mathildenstr. 59. Die so genannte Mathilde war eine Zweiganstalt der an das Dresdner Landgericht angegliederten Hauptanstalt in der George-Bähr-Str. 7.

Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein: In der für ihre humanistische Tradition berühmten ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein ermordeten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 und 1941 13.720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen, darunter viele Kinder. Sie wurden im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde, der sogenannten »Aktion T4«, in einer Gaskammer umgebracht. Im Sommer 1941 starben an diesem Ort mehr als tausend Häftlinge aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Erst seit 1989 drang der fast vergessene Massenmord allmählich wieder in das öffentliche Bewusstsein. Bürgerinnen und Bürger der Stadt Pirna sowie Angehörige der Ermordeten engagierten sich ab 1991 im »Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e. V.« für die Einrichtung einer Gedenkstätte. Im Juni 2000 wurde die Gedenkstätte am historischen Ort eingeweiht. Seitdem verdeutlichen der Gedenkbereich und eine Dauerausstellung die Geschichte dieses Ortes.

Im Verbund mit der Gedenkstätte in Pirna steht die Gedenkstätte zu Ehren der Euthanasieopfer in Großschweinitz, wo an die Opfer der nationalsozialistischen Krankenmorde erinnert wird, die nach dem offiziellen Ende der »Aktion T4« unter dem Dach von Heil- und Pflegeanstalten weiter betrieben wurde. Über 5.500 Frauen, Männer und Kinder wurden in der damaligen Landesanstalt Großschweidnitz durch überdosierte Beruhigungsmittel, Unterernährung und mangelnde Pflege ermordet. Der Gedenkort befindet sich derzeit im Aufbau. Mit einer Eröffnung ist 2023 zu rechnen.

Erinnerungsort Torgau. Justizunrecht | Diktatur | Widerstand: Mit den beiden Militärgefängnissen »Fort Zinna« und »Brückenkopf« und dem Reichskriegsgericht, das im August 1943 von Berlin nach Torgau verlegt wurde, entwickelte sich Torgau während des Zweiten Weltkriegs zur Zentrale des Wehrmachtstrafsystems. Nach dem Ende des Krieges richtete die sowjetische Geheimpolizei NKWD im Fort Zinna und in der benachbarten Seydlitz-Kaserne die Speziallager Nr. 8 und 10 ein. Im Lager Nr. 8 wurden Deutsche interniert; im Lager Nr. 10 deutsche und sowjetische Staatsbürger, die von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt waren, gefangen gehalten. Die DDR-Volkspolizei nutzte das Gefängnis Fort Zinna von 1950 bis 1990 für den Strafvollzug. In den fünfziger und sechziger Jahren saßen insbesondere politische Gefangene hier ein. Bis 1975 wurden in Torgau auch jugendliche Strafgefangene inhaftiert. Der Erinnerungsort Torgau. Justizunrecht | Diktatur | Widerstand, das frühere Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau wurde 1991 als Verein mit dem Ziel gegründet, die Geschichte der Torgauer Haftstätten während des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzungszeit und der DDR zu dokumentieren und ist heute Teil der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft. Da der zentrale Haftort –Fort Zinna – als Justizvollzugsanstalt des Freistaates Sachsen genutzt wird, befindet sich die Dauerausstellung nicht dort, sondern im Schloss Hartenfels. Ein Gedenkort, der den verschiedenen Phasen des Gedenkens Raum gibt, ist neben der heutigen Justizvollzugsanstalt am Fort Zinna.

Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain:  Die Gedenkstätte erinnert an die Opfer des Kriegsgefangenenlagers Zeithain bei Riesa zwischen 1941 und 1945. Es wurde vor dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf die Sowjetunion im April 1941 eingerichtet. Ab Oktober 1943 kamen neben den sowjetischen auch italienische, serbische, britische, französische und polnische Gefangene in das Lager. Insgesamt sind ca. 25.000 bis 30.000 sowjetische Kriegsgefangene und mehr als 900 Gefangene aus anderen Ländern – davon mindestens 862 Italiener – in Zeithain verstorben. Gründe waren vor allem mangelhafte Ernährung und katastrophale hygienische Bedingungen. Die Opfer des Lagers liegen auf vier Friedhöfen in der Umgebung des ehemaligen Lagergeländes am Bahnhof Jacobsthal begraben. Die Geschichte dieses deutschlandweit bedeutendsten Lagers seiner Art wird in einer Dauerausstellung im Dokumentenhaus des Ehrenhains Zeithain sowie in einer ehemaligen Lagerbaracke dargestellt. Die Gedenkstätte versteht sich als Anlaufstelle für Angehörige der ehemaligen Kriegsgefangenen sowie als internationale Informations- und Bildungsstätte insbesondere auch für junge Menschen.

Institutionell gefördert werden darüber hinaus vom Kulturministerium die in freier Trägerschaft befindliche Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden (ehemalige Untersuchungshaft der DDR-Staatssicherheit), das Museum in der »Runden Ecke« Leipzig (ehemalige Bezirksverwaltung der Staatssicherheit), die Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig und die Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Außerdem fördert die Stiftung aus Landes- und Bundesmitteln zahlreiche Projekte, die Archive der Bürgerbewegung der ehemaligen DDR und andere Einrichtungen der Gedenkstättenarbeit.

Im Aufbau befinden sich die Gedenkstätten Lern- und Gedenkort Kaßberg-Gefängnis in Chemnitz und Frauenhaftanstalt Hoheneck in Stollberg, mit deren Eröffnung im Verlauf des Jahres 2023 gerechnet wird.

Die Dokumentationsstelle – Widerstands- und Repressionsgeschichte in der NS-Zeit und Sowjetischen Besatzungszone/DDR – ist eine historische Forschungseinrichtung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft mit Sitz in Dresden. Thematische Schwerpunkte der Arbeit sind die Widerstands- und Repressionsgeschichte der Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit, die Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone sowie die Geschichte der DDR.

Neben den Gedenkstätten gibt es in Sachsen weitere Museen, die sich mit der jüngeren Geschichte unseres Landes auseinandersetzen.

Das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig regt mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Bildungsangeboten zur Beschäftigung mit der Geschichte Deutschlands und Europas seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an. Das moderne Museum in der Leipziger Innenstadt trägt dazu bei, die Erfahrungen der Menschen in Ost- und Westdeutschland gegenseitig verständlich zu machen. Das Museum ist ein Standort der Stiftung Haus der Geschichte in Bonn, die von der Bundesrepublik Deutschland getragen und finanziert wird.

Ein Schwerpunkt des vom Bund dem Freistaat Sachsen und der Stadt Görlitz finanzierten Schlesischen Museums zu Görlitz ist die Geschichte Schlesiens im 20. Jahrhundert. Es wird ein detailreiches Bild von Politik, Kultur und Alltag zur Zeit der Weimarer Republik und der NS-Diktatur vermittelt. Film- und Toneinspielungen, Fotos und Erinnerungen dokumentieren die Katastrophen, in denen das alte Schlesien unterging: die nationalsozialistische Gewaltherrschaft, der Zweite Weltkrieg und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Der Blick richtet sich auch auf die Ansiedlung polnischer Bewohner in Schlesien und die Schicksale der Vertriebenen in Ost- und Westdeutschland.

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr gehört zu den bedeutendsten Geschichtsmuseen Europas. Im Zentrum der Ausstellungen stehen der Mensch und die Frage nach den Ursachen von Krieg und Gewalt. Unterschiedliche Standpunkte, Sichtweisen und Schicksale spiegeln sich in den über 10.000 Exponaten der Ausstellung, die von vielen bewegenden Geschichten zeugen. Das Museum versteht sich als ein Forum für die Auseinandersetzung mit Militärgeschichte, für den Diskurs über die Rolle von Krieg und Militär.


 

 

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