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Oberlausitz-Niederschlesien

Foto: Görlitz
Brücke Görlitz.  © SMWK / Stephan Floss

Die Region Oberlausitz-Niederschlesien ist eine historisch interessante Landschaft in der Mitte Europas mit der in der Oberlausitz angesiedelten sorbischen Minderheit. Kulturelle Zentren in der Region sind neben Hoyerswerda die ehemals dem Sechsstädtebund angehörigen Städte Bautzen, Görlitz, Kamenz, Löbau und Zittau. Die Oberlausitz bietet eine wunderbare Natur, und verschiedene kulturelle Einrichtungen laden zum Besuch ein.

In Bautzen befinden sich die wichtigsten kulturellen Institutionen der sorbischen Bevölkerung. Die Stadt Görlitz zeichnet sich durch ihre außerordentlich wertvolle und umfangreiche historische Bausubstanz und durch die ausgesprochene Nähe zur Schwesterstadt Zgorzelec aus. Kamenz ist die Geburtsstadt Lessings, in der das literarische Erbe des Aufklärers lebendig gehalten wird. In Zittau findet man die Christian-Weise-Bibliothek und in Löbau die außergewöhnliche Villa Schminke des berühmten Architekten der Klassischen Moderne, Hans Scharoun.

Seit Jahrhunderten ist das Leben in und um Bautzen (sorbisch Budyšin), die alte Hauptstadt der Oberlausitz, geprägt vom Miteinander von Deutschen und Sorben.

Hier befindet sich das »Haus der Sorben«, in dem u. a. die Domowina e.V. und die Stiftung für das sorbische Volk ihren Sitz haben. In Bautzen finden wir auch das einzige bikulturelle Theater Deutschlands, das Deutsch-Sorbische Volkstheater. Außerdem arbeitet hier das Sorbische National-Ensemble – ein professioneller Kulturbetrieb mit den Sparten Chor, Ballett und Orchester sowie entstehender Musikakademie.  Auftrag all dieser Institutionen ist es, die sorbische Sprache und Kultur  und die sorbischen Traditionen zu fördern, zu erhalten und zu vermitteln.

Foto: Osterreiter-Prozession am Ostersonntag in Bautzen. © Jens-Michael Bierke

Die Sorben haben neben ihrer Sprache eine eigene Kultur, die außer in den Familien in verschiedenen Vereinen und Gruppen gepflegt wird. Sorbische Kunst wird in verschiedensten Einrichtungen, durch Amateurgruppen und Vereine präsentiert. Diese nutzen künstlerische Arbeiten u.a. von Schriftstellern, Dramatikern, Komponisten sowie Erkenntnisse der sorbischen Volksforschung.

Der Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien ist nicht nur geprägt von der Zweisprachigkeit der Deutschen und Sorben, sondern auch durch das Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien. Ein herausragendes Beispiel deutsch-polnischer Zusammenarbeit ist der Fürst-Pückler-Park Bad Muskau. Die Geburtsstadt des genialen Landschaftsgestalters Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871) am Grenzfluss Neiße ist eingebettet in eine 830 Hektar große Parklandschaft. In einer idealen Verschmelzung von Natur und Landschaft repräsentiert der Muskauer Park den klassischen Landschaftsgarten schlechthin, verbunden mit der Besonderheit eines grenzüberschreitenden Natur- und Kunstwerks: Ein Drittel des Fürst-Pückler-Parks liegt auf deutscher Seite, zwei Drittel als Park Mużakowski nördlich der polnischen Stadt Łęknica. Seit 2004 verbinden die Doppelbrücke sowie die 2011 wiederaufgebaute Englische Brücke beide Parkteile miteinander.

Foto: Schloss Muskau.
Schloss Muskau  © Stiftung »Fürst-Pückler-Park Bad Muskau«

Rund 300.000 Gäste statten dieser Anlage jährlich einen Besuch ab, die zu den wenigen staatenübergreifenden Welterbestätten gehört. Dabei können die Besucher sich von den Fortschritten seiner Wiederherstellung wie auch der Wiedererrichtung des Neuen Schlosses überzeugen.

Am letzten Samstag im Mai findet das Deutsch-Polnische Parkfest statt, das zu einem Kleinkunst-Programm für die ganze Familie und Klassik-Openair mit Feuerwerk am Abend einlädt.

Die zwischen Deutschland und Polen geteilte Doppelstadt Görlitz-Zgorzelec ist Europastadt, die sich dem Gedanken der europäischen Verständigung besonders verpflichtet fühlt. Die Stadt an der Lausitzer Neiße besitzt eine der am besten erhaltenen Altstädte Mitteleuropas. Dieser Umstand machte die östlichste Stadt Deutschlands bereits häufig zur Filmstadt. Für zahlreiche nationale und internationale Produktionen (unter anderem »Goethe!«, »Der Vorleser«, »Inglourious Basterds«) war Görlitz ein beliebter Drehort mit historischer Kulisse.

Besonderen Wert hat die Görlitzer Synagoge, die 2011 ihren 100. Jahrestag feierte. Als eine der wenigen Synagogen im heutigen Sachsen blieb sie größtenteils unversehrt. Mit ihrer kubischen Geschlossenheit, ihrer kompakten Form und ihren monumentalen Proportionen bietet die Görlitzer Synagoge eines der beeindruckendsten Beispiele für den modernen Synagogenbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die heute wieder für Konzerte, Diskussionen und Ausstellungen genutzte Synagoge besticht durch eindrucksvolle Jugendstilformen. Mit dem Bau wurden die Architekten William Lossow und Max Hans Kühne beauftragt (Architekten des Leipziger Hauptbahnhofs und des Schauspielhauses Dresden).

Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau bietet als Regionaltheater in der Oberlausitz ein vielfältiges Programm in den Sparten Musiktheater, Tanz und Schauspiel sowie mit der neuen Lausitzer Philharmonie ein breites Konzertrepertoire. Neben einem breiten Angebot ist ein wesentliches Element des Theaters die Pflege internationaler Kooperationen, vor allem mit polnischen und tschechischen Partnern. Die Entwicklung neuer, oft regional verwurzelter Stoffe bis zur Realisierung von Uraufführungen sorgt immer wieder für überregionale Resonanz. Unter dem Leitbild eines Theaterangebotes für möglichst große Teile der Gesellschaft und alle Generationen liegt aktuell ein besonderer Fokus der Spielplangestaltung auf der Entwicklung zeitgemäßer Angebote für Kinder und Jugendliche in allen Sparten.

Foto: Fastentuch.
Das große Zittauer Fastentuch  © Abegg-Stiftung (Christoph v. VPrág)

Die alte böhmische Königstadt Zittau zeichnet sich aus durch ein reiches kulturelles Erbe und eine kostbare Bausubstanz von der Frühgotik über den Hochbarock bis zu Karl Friedrich Schinkels Johanniskirche, einem Meisterwerk des Klassizismus. Den größten Schatz der Stadt stellen die Zittauer Fastentücher dar. Neben dem Bilderteppich von Bayeux gehört das Große Zittauer Fastentuch zu den eindrucksvollsten Textilwerken der abendländischen Überlieferung. Es ist das einzig erhaltene Fastentuch des sogenannten bilderreichen Feldertyps in Deutschland.

Das Tuch gehört zu den ältesten und kunstgeschichtlich interessantesten unter den heute noch existierenden Fastentüchern. Mit seinem lebendigen Fluss der Erzählung ist es ein Meisterstück lebhafter Aufbereitung biblischen Wissens. Das 8,20 Meter hohe und 6,80 Meter breite Fastentuch wird in der größten Museumsvitrine der Welt (Guinness-Buch der Rekorde) im Museum »Kirche zum Heiligen Kreuz« in Zittau dauerhaft präsentiert. Das Kleine Zittauer Fastentuch von 1573 ist im Kulturhistorischen Museum Franziskanerkloster ausgestellt. In ihm spiegelt sich die Kunst der Renaissance zwischen Dürer und Michelangelo wider. Es ist das einzige evangelische Fastentuch überhaupt und damit ein einzigartiges Zeugnis für den besonderen Verlauf der Reformationsgeschichte in der Oberlausitz.

Gemälde.
Lessing und Johann Caspar Lavater zu Gast bei Moses Mendelssohn, Gemälde von Moritz Daniel Oppenheim (1856)  © Wikipedia

Zum ehemaligen Oberlausitzer Sechsstädtebund zählt neben Bautzen, Görlitz, Löbau, Zittau und Lauban (jetzt polnisch: Lubań) auch Kamenz. Der berühmteste Sohn der Stadt, Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), gibt dem Ort den Beinamen Lessingstadt. Das Lessing-Museum widmet sich der Person und der Wirkung des Dichters, dessen Stücke »Nathan der Weise«, »Minna von Barnhelm« und »Emilia Galotti« zu den meistgespielten Bühnenklassikern gehören.

In der Ausstellung ist nur ein kleiner Teil der einzigartigen Sammlung des Museums zu sehen. Neben der Biografie Lessings erfährt der Besucher anhand von Theatermodellen, Bühnenbild-Entwürfen und Kostümen allerhand Wissenswertes über die Theatergeschichte. Rund 5.000 Bücher, 700 Kunstgegenstände und 950 Sammelmappen mit Theatermaterialien zu Lessing-Aufführungen werden im Depot des Museums aufbewahrt.

Zu den kulturellen Höhepunkten der Region zählen die Kamenzer Lessing-Tage, die alle zwei Jahre zwischen Lessings Geburtstag am 22. Januar und seinem Todestag am 15. Februar stattfinden. Seit 2003 verleiht der Freistaat Sachsen zu diesem Anlass den Lessing-Preis – einen Literaturpreis, der herausragende Leistungen im Geiste Lessings, vornehmlich auf dem Gebiet der Literatur, der Literaturkritik und des Theaters würdigt.

Heimliche, aufstrebende und neue Dichter der Gegenwart stellen sich in regelmäßigen Abständen beim »Poetenbrettl«vor. Das Lessing-Museum lädt jeden Interessierten zu dieser Lesebühne ein, um eigene Texte vorzutragen – sei es Lyrik, Prosa oder Lied. So lebt der dichterische Geist Lessings in seiner Geburtsstadt fort.

Im sächsischen Löbau steht ein herausragendes Architekturdenkmal der Moderne – das Haus Schminke. Anfang der 30er Jahre für die Fabrikantenfamilie Schminke errichtet, ist es eines der weltweit bedeutendsten Wohnhäuser des 20. Jahrhunderts und gilt als Hauptwerk des Architekten Hans Scharoun im Bereich des privaten Wohnungsbaus. Die Umsetzung ist extravagant und funktionell zugleich, vor allem auf die Bedürfnisse der sechsköpfigen Familie abgestimmt. Der gebogene Korpus mit Terrassen, Außentreppe und zahlreichen Bullaugenfenstern weckt die Assoziation zu einem Schiff. Bereits 26 Jahre nach seiner Fertigstellung wurde das Haus Schminke als revolutionär geltendes Architekturwerk der Moderne denkmalrechtlich erfasst und 1978 schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Die 2009 rechtsfähig anerkannte Stiftung Haus Schminke hat es sich zum Ziel gesetzt, das Haus als Zeugnis des »Neuen Bauens« für kommende Generationen zu bewahren und zum kulturellen Treffpunkt für Architektur- und Kunstbegeisterte aus aller Welt zu machen.

Foto des weißen Gebäudes von außen.
Herrnhuter Brüdergemeinde  © Evangelische Brüder-Unität / Thomas Pryzluski

Als 1722 der sächsische Reichsgraf Ludwig Nikolaus von Zinzendorf mährischen Glaubensflüchtlingen erlaubte, auf seinem Grund und Boden in der Oberlausitz zu siedeln, ahnte er sicher nicht, dass er damit den Grundstein einer weltweiten Erfolgsgeschichte legte. Fünf Jahre später gründete sich dort die nach dem Ort benannte »Herrnhuter Brüdergemeine«, heute als Brüder-Unität bekannt. Eng mit ihr verbunden sind die weltweite Missionsarbeit, die Sammlung wertvoller ethnografischer Kostbarkeiten aus fernen Ländern, die wirtschaftliche Entwicklung bäuerlich geprägter Regionen auf allen Kontinenten im 19. Jahrhundert sowie die beliebten »Herrnhuter Sterne« und »Die Losungen – Gottes Wort für jeden Tag«.

1732 sandten die Brüder und Schwestern, wie sie sich selbst nannten, die ersten Missionare auf die Insel St. Thomas in die Karibik aus. Auslöser waren Berichte über die Lebensbedingungen der Sklaven vor Ort. Man wollte sich den Menschen zuwenden, um die sich sonst niemand kümmerte. Wenig später folgten Missionare ihrem Ruf in Gegenden wie Grönland, Südafrika und Nordamerika. Viele der in der Missionsarbeit tätigen Brüder und Schwestern sammelten Alltagsgegenstände der dortigen Kultur. Zu wissenschaftlichen Zwecken oder als persönliche Erinnerungsstücke wurden diese kostbaren Exponate zentral in der Brüder-Unität gesammelt. In der heutigen Zeit bewahrt, erforscht und erschließt das Völkerkundemuseum in Herrnhut diese für die Ethnografie einzigartigen Fundstücke. Beispielhaft zeigt das Haus mit einem Originalkajak aus Grönland, einem Hundeschlittengespann aus Labrador oder Fellbekleidung aus Alaska Gebrauchsgegenstände der Inuit aus dem vergangenen Jahrhundert.

Um sich schnell in der Fremde zurechtzufinden, entwickelte die Brüder-Unität eine Plansiedlung aus dem Baukasten. Die Siedlungen waren reißbrettartig aufgebaut, die Funktionsgebäude samt Kirchensaal meist in Herrnhut geplant und vorgebaut. Der Baustil im sächsischen Barock sorgte in der Fremde für Aufsehen. Das 1773 gegründete Christiansfeld in Dänemark hat seit dem 4. Juli 2015 den Status eines UNESCO Weltkulturerbes. Ähnlich gut erhaltene Siedlungen finden sich beispielsweise in Salem/Pennsylvania, Sarepta/Russland oder in Königsfeld/Schwarzwald.

Seit 1731 gibt die Evangelische Brüder-Unität jährlich die »Die Losungen« heraus. Jeden Tag bringen die Losungen ein Wort aus dem Alten und aus dem Neuen Testament, einen Liedvers oder ein Gebet für die Leser. Diese Texte werden immer drei Jahre im Voraus per Los gezogen. Die Losungen werden in über 50 Sprachen vertrieben.

Als geometrisches Lehrobjekt für die Schüler gedacht, sind die »Herrnhuter Sterne« als Advents- und Weihnachtsboten kaum mehr wegzudenken. Anfang des 19. Jahrhunderts bastelten die Herrnhuter Internatsschüler zu Beginn der Adventszeit aus Tonpapier und Pappe die Sterne und brachten den Brauch in ihrer späteren missionarischen Tätigkeit in die ganze Welt. Seit mehr als 100 Jahren werden die Sterne per Hand durch die Herrnhuter Sterne GmbH produziert und weltweit versandt.

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